Nachdem nun so oft das Wort "Faerie" gefallen ist, fühle ich mich langsam angesprochen.
Dann leg ich mal los.
Romurald hat geschrieben:@Heidi:
Ws deine Ansicht über "Faerie" und erzählerischer Logik angeht: Nun, da stimme ich dir tatsächlich nur sehr bedingt zu.
Ich hatte da nicht meine eigene Ansicht im Auge, sondern die von Tolkien. Man findet über "Faerie" natürlich erst mal jede Menge in dem Aufsatz
On Fairy-Stories, aber auch in Verlyn Fliegers Ausgabe zu "Smith of Wootton Major" und außerdem in
Notion Club Papers, dort aber vermittelt durch literarische Gestalten. Aber es wird dort direkt Bezug genommen zu dem Aufsatz
On Fairy-Stories.
Bezogen hatte ich mich vor allem auf den Gedanken von Tolkien, dass innerhalb der eigenen erbauten Phantasiewelt eigene Gesetze gelten. Die "Logik" unserer realen Welt (Primärwelt) kann da durchaus außer Kraft gesetzt werden. So nennt Tolkien das Beispiel mit der grünen Sonne. In der Primärwelt haben wir keine solche. Schlechte Dichter bauen sie vielleicht in einer Sekundärwelt ein, aber sie entwickeln keine echte Sekundärweltlogik, und ihre grüne Sonne bleibt unglaubwürdig. Unglaubwürdig nicht darum, weil unser Primärweltdenken das nicht versteht, sondern darum, weil der Dichter keine echte Sekundärwelt geschaffen hat. Hätte er das, wäre die grüne Sonne so natürlich wie bei uns die gelbe oder weiße.
Ich würde das, was du als"Faerie" bezeichnest mal etwas frei als auktoriale Erzählweise verstehen,
Leider verstehe ich das jetzt nicht, was Du schreibst. Faerie ist für Tolkien die "Anderwelt", die ein Dichter mittels seiner Imagination erstehen lassen kann. Sie beginnt da - ich interpretiere ein wenig -, wo unser rationales Denken aufhört. Aber nicht die Vernunft, wohlgemerkt. Auch die Anderwelt hat Vernunft, hat innere Zusammenhänge. Aber Tolkien betont die Grenze zwischen diesen beiden Welten. Er hat diese "Grenzgänger" - die hin und herwandern können - ja öfter beschrieben in seinen Werken. Am deutlichsten vielleicht in "Smith of Wootton Major", wo der Schmied seine Erfahrungen in dem Land der Faerie macht. Und dort gibt es andere Gesetze, ganz ohne Zweifel.
Wenn ich dich soweit richtig verstanden habe, sind wir hier also "dacour".
Aber ich denke, diese "innere Logik" einer erdachten Welt muss genau dann allgemeingültigen Logikregeln folgen, wenn der Autor den Anspruch erhebt, seine Welt könnte so in unsere hineinpassen (hier: Als Legenden/Sagen längst vergangener Zeiten, aber in unserem Universum und nicht in einem völlig anders gestrickten Paralelluniversum).
Was meinst Du jetzt mit "allgemeingültigen Logikregeln"? Die Basis für das Erzählen jeder Geschichte ist unsere Welt. Da sind wir einer Meinung. Die Geschichten werden für uns erzählt, die wir hier leben. Aber Tolkiens Geschichten erzählen uns von inneren Möglichkeiten, die unser rationales Denken übersteigen, übersteigen sollen. Das ist ja sein erklärtes Ziel. Zeit, Raum, Kausalitat - das sind unsere Kategorien. Aber in seinen Geschichten überschreitet er diese imaginativ. Da ist Zeit nicht mehr wie bei uns, Raum nicht mehr wie bei uns, Kausalität nicht mehr wie bei uns.
Hat er diesen Anspruch nicht, kann er natürlich den Grundsatz einführen, dass, sagen wir mal, Schweine fliegen können, die Sonne pink mit lila Punkten ist und Menschen nach ihrem Tod mit einer gebratenen Ente als Kopf direkt wieder auferstehen. Wäre absolut in Ordnung, wenn der Autor eben den Anspruch der "Verträglchkeit" mit unsere Welt nicht hat.
Aber das ist ja nun das Wesen der phantastischen Literatur, dass alle diese von Dir genannten Dinge dort eingeführt werden können. Tolkien tut das, jeder phantastische Autor tut das. Das ist ja der Unterschied zur realistischen Literatur. Würden Deine Ansprüche erfüllt, hätte Tolkien nie die Ringgeister einführen können, denn die gibt es nun mal nicht in unserer Welt. Genausowenig wie Ringe der Macht. Auch ein Gollum wäre in unserer Welt ganz undenkbar.
Aber in unserer Phantasiewelt kommen diese Dinge vor. Sie haben eine Art Realität, aber eine andere. So wie der Traum. Da können ganz "unlogische" Dinge passieren - aber es gehorcht der Logik der Psyche. Und der gehorcht Tolkien auch .
Darum erkennen wir die Ringgeister als Teil unserer Welt, weil sie Teil unserer Psyche sind. Eine Sonne mit lila Punkten könnte da auch reingehören, weil sie eine getrübte Sonne sein könnte, usw.
Deshalb kann man (ich überspitze ein wenig, Heidi, fühl' dich also nicht auf den Schlips getreten) also Ungereimtheiten (meiner Meinung nach) nicht mit Aussagen wie "Naja, Faerie" abtun, wenn sie denn im Text erkennbar sind.
Nun habe ich oben ja ausdrücklich geschrieben:
"ich lerne jedenfalls bei dem, was andere als "Feher" werten, auch wenn es für mich "Faerie" ist.
Aber natürlich muss auch ich das begründen, ich kann ebenfalls nicht einfach alles als "Faerie" bezeichnen, wo es vielleicht nur Nachlässigkeit war."
Deshalb meine Forderung anch Textstellen als Grundlage der Diskussion.
Diese Forderung hatte ich ja ebenfalls gestellt. Damit man zeigen kann, in welchem Kontext etwas gesagt wurde, wer das gesagt hat, und warum. Solche Textstellen sind im literarischen Kontext nämlich oft etwas ganz anderes als naturwissenschaftliche Daten.
Wenn da also steht, dass die Ringgeister das furchbarste sind, was es gibt, ist der Schluss daraus, dass sie auch den Ring ohne Mühe bekommen können, für mich ein Fehlschluss. Denn "furchtbar" ist nicht gleich "allmächtig".
Romurald hat geschrieben:Tolkien sagt durch Gandalf
Das sehe ich auch als Fehlschluss. Es ist nur Gandalf, der das sagt.
, dass er nach Verlust des Ringes altert. Warum alter er dann nicht weiter und ist etwa 80 Jahre später nicht längst tot, geht am Stock, ist alterssenil oder hat Alzheimer (oder was auch immer), wenn er schon zwei Jahre nach dem Verlust die Last des Alters scheinbar deutlich spürte??? Und Ökonahrung und frische Luft sind stärker als die Ringwirkung???? Naja......
Gandalf ist von Tolkien so konzipiert worden, dass er nicht allwissend nach Mittelerde gekommen ist, sondern sich sein Wissen erst in den Archiven und durch intensive Nachforschungen erwerben muss. Gandalf reimt sich vieles zusammen - und, wie sein jüngerer Bruder Dumbledore "reimt" er sich alles gut zusammen
-, aber er ist nicht allwissend.
Bilbo dagegen altert trotz „gesundem“ Ökoleben im Auenland und v.a. in Bruchtal kräftig nach Verlust des Ringes. Schon etwa 20 Jahre nach seinem Aufbruch aus dem Auenland ist er nur noch ein alter Tattergreis.
Hier wird also erstens die Resistenz gegen die Wirkung des Ringes bei Bilbo UND Gollum mit ihrer angenommenen Hobbitverwandtschaft begründet. Diese wird bei den völlig unterschiedlichen Alterungsprozessen aber gleichzeitig völlig ignoriert.
Ich denke, hier ist die „innere Logik“ genauso verletzt wie die „allgemeingültige Logik“ und das empfinde ich als gravierenden Fehler,
Welche "innere Logik" ist denn verletzt? Du hast noch keine definiert. Insofern kannst Du auch nicht behaupten, dass die angenommene Hobbitverwandtschaft (sie ist in der Tat nur angenommen) dazu führen muss, dass der Ring auf beide gleich wirkt. Du gehst mechanistisch vor - und das ist nicht die innere Logik der Geschichte.
denn tut man ihn mit „Faerie“ ab, ist das argumentativ unredlich, finde ich.
Ich bin nicht daran interessiert, "unredlich" zu argumentieren, sondern das Wesen von Tolkiens Geschichten zu verstehen. Du versuchst es mit naturwissenschaftlicher Logik, als sei der Ring tatsächlich im Max-Planck-Institut herstellbar und seine Eigenschaften definierbar. Für mich bist jetzt Du extrem unlogisch, weil Du nicht von der Prämisse ausgehst, dass der Ring in unserer Welt nicht existiert. Du tust so, als ob Du ihn im Geschäft kaufen könntest.
Da ich ausdrücklich gesagt habe, dass auch ich das, was aus der "Faerie" stammt, als ein solches begründen muss, sehe ich keine Unredlichkeit in meiner Argumentation.
Nehmen wir mal den kleinen Stern in "Smith of Wootton Major", der ja ausdrücklich aus der Faerie stammt. Ich setze mal Faerie = Unterbewusstes (was zur Not funktioniert), da wird es deutlicher. Der Stern wirkt auf den Schmied so und so - er kann in der Faerie wandern, aber er kann dort nicht wirklich Kontakt bekommen.
Nun kommst Du und sagst: Das ist völlig unlogisch, der Vorgänger vom Schmied konnte das doch mit Hilfe des Sterns.
Und da muss ich Dich dann fragen: Auf Grund welcher "Logik" behauptest Du das? Kennst Du solche Sterne in unserer Welt und kannst Tolkien vorwerfen, dass er sie falsch benutzt habe? Ich kann das Wesen dieses Sterns doch nur so erfassen, indem ich genau in der Erzählung gucke, wie er wirkt. Ich habe doch nicht in unserer Welt ein Gegenstück, womit ich das messen kann.
Genauso mit dem Ring im HdR. Alle in der Erzählung kennen die Wirkung des Ringes nicht, müssen es mühsam erforschen. Gandalf muss nach Gondor reiten, um die ersten Dokumente zu studieren. Er studiert Bilbo, er studiert Gollum. Und beobachtet dies und dann dies.
Auf Grund welcher Basis also sagst Du, Du hättest das Wesen des Ringes erkannt und könntest hier logische Fehler von Tolkien behaupten? Du musst doch irgendeinen Maßstab haben?
Natürlich will ich niemandem die Meinung streitig machen; aber dann würde ich auch gerne Textstellen als Begründung sehen. Sonst macht es ja auch keinen Sinn, wenn ich weiter suche, oder?
Ich müsste das halbe Buch abschreiben, um nachzuweisen, dass Gandalf nicht als Allwissender nach Mittelerde gekommen ist, dass sein Wissen auf Basis seiner Studien beruht. Aber ich denke, dass ist unanzweifelbar. Auch Saruman forscht und weiß nichts vorher.
Da Du ja behauptest, dass hier Fehler vorliegen, musst Du Deinen Maßstab nennen, oder?
Was Du vor allem nennst, ist der Zeitfaktor. Du rechnest die Jahre auf und nennst es "unlogisch", wenn mehr Jahre weniger bewirken als viele Jahre.
Aber wo hast Du den Gedanken her, dass in einem Reich der Imagination, die auf der Psyche, dem Unterbewussten basiert, das gleiche Zeitbewusstsein herrscht wie in unserer Welt.
Diesen Nachweis bist eigentlich Du schuldig. Wenn Du nicht akzeptierst, dass Tolkien mit der "Faerie" arbeitet, wo die Zeit eine andere Funktion hat als in der realen Welt, dann kannst Du den ganzen HdR nicht akzeptieren, weil da, gerade was den Zeitfaktor betrifft, unser normales Zeitverständnis andauernd enthebelt wird. Auch ohne Ring und Ringgeister. Gandalf ist ein Maia und lebt seit tausenden von Jahren. Das muss für Dich doch auch ein Fehler sein.
Falls ich Dich total missverstanden habe: bitte sagen.
Eine Kleinigkeit noch:
2. Gandalf bezeichnet die Neun als „...seine entsetzlichsten Diener....“ (s. 72, 8.Zeile von unten). Das war mir noch wichtig.
Danke. Ich habe das nachgelesen, und in welchem Zusammenhang das steht. Aber ich sehe keinen Beleg in diesem Satz dafür, dass die Ringgeister besser als Gollum in der Lage wären, den Ring zu rauben. Das war ja unsere Voraussetzung. Du nennst das unlogisch und begründest das mit diesem Satz.
Aber dieser Satz ist keine Begründung. "Schrecklich" ist wohl hier auch sonst im Roamn so zu verstehen, dass sie panische Angst verbreiten, Angst ohne Grund. Sie erreichen auch durch ihre Gegenwart, dass Frodo den Ring fast zwanghaft aufsetzen muss. Nirgends aber hat Tolkien die Ringgeister so erläutert, dass sie Frodo den Ring mit Gewalt wegnehmen könnnen. Darum sehe - tut mir leid - in Deiner Argumentation einen Gedankenfehler, oder einen semantischen Fehler. Du setzt (ich wiederhole mch, aber egal) "schrecklich" mit "allmächtig" gleich.
Romurald hat geschrieben:@Mark und alter Tuk: Kurze Wortmeldung.....ich finde eure Überlegungen hochinteressant und als Überlegung in sich teilweise stimmig.....aber sie gehen nicht auf meine (wie ich finde entscheidende) Textstelle ein: "Gollum fühlt sich alt, fürchterlich alt", das passt einfach nicht mit euren Überlegungen zusammen....
Außerdem will ich es noch einmal wiederholen: Das sind, Entschuldigung, "Faerieüberlegungen", d.h. es KANN so sein, ist aber AM TEXT nicht zu belegen. Daher kann jede andere Spekulation OHNE Textbeleg ebenso richtig sein. Muss aber nicht.
Du benutzt "Faerieüberlegungen" irgendwie so negativ. Und damit diskriminierst Du eigentlch Tolkiens ganzes Anliegen in seinem Leben: Zu ergründen, was die Faerie IST. Er hat nie versprochen, dass da irgendwelche Definitionen sinnvoll sind. Ganz im Gegenteil schreibt er immer und immer wieder, dass es schwierig ist, zu verstehen, was diese Anderwelt ist. Und wenn ich das mit den Träumen und dem Unterbewussten vergleiche, dann müsstest Du ja Dir selber Unlogik vorwerfen, wenn Du im Traum plötzlich im Zug sitzt, wo Du eben noch auf der Straße warst. Der Traum will damit etwas sagen - und wenn Du rauskriegen willst, was, dann musst Du halt hinter die Logik des Traumes steigen. Und nicht andauernd sagen: "Mein Traum macht Fehler".
Das ist nun mal Tolkien. Man kann keineswegs alles und jedes spekulieren. Es ist doch offensichtlich und keine Spekulation, dass der Ring auf Bilbo anders wirkt als auf Gollum. Du hast doch selber die Textstellen gebracht. Welche Belege brauchen wir denn noch, dass der Ring unterschiedlich wirkt? Dass das falsch ist, das wäre dann von DIR eine Spakulation.
Beispiel: Gollum altert nicht, weil nach seinem Ringverlust ein UFO herbeigeflogen kam und ihm mittels Zelldusche ewiges Leben verlieh. Das weiß aber Gandalf nicht, denn das ist Gollums großes Geheimnis. Würde von jedem als kompletter Unsinn abgetan, weil es nämlich eine "Faerieüberlegung" ist.
Nein - das wäre keine "Faerie-Überlegung", weil Faerie laut Tolkien nichts Albernes ist, sondern eine innere Wahrheit. Du verstehst unter Faerie irgend etwas Dümmliches, wo jeder sich was zurechtspekulieren kann und immer eine Ausrede hat ("unredlich" argumentiert in Deinen Augen).
Dazu passt das, was ich vorher schon parapharasiert habe: das mit der grünen Sonne. Ein Dichter, der keiner ist, würde mit einer grünen Sonne nicht zurechtkommen und sie nicht "logisch" machen können. Einer, der aber einer ist, der kann sie überzeugend machen.
Wir können nun vielleicht sagen, dass Tolkien ein miserabler Dichter ist, weil er Dich nicht davon überzeugen konnte, dass ein Ring der Macht unterschiedlich wirken kann.
Wir können aber auch sagen, dass DU ein miserabler Deuter bist, weil Du nicht bereit bist, das Vielschichtige aller Artefakte, die aus dem Reich der Faerie kommen, zu akzeptieren und stattdessen den Maßstab unserer eindimensionalen Welt anlegst. Indem diese Ringe ja gar nicht vorkommen können, weshalb ich Deine Argumentation ja eben schon als unlogisch ansehe.
Das GEGENTEIL ist aber am Text nicht zu belegen.
Ich denke schon. Und ich habe es inzwischen auch längst getan. ich habe am Text gezeigt, dass Deine Spekulationen - dass hier Fehler vorliegen - auf einer unzulässigen Prämisse beruhen. Ich habe jetzt zwar nicht wörtlich zitiert, aber auf Textstellen verwiesen, die man in der Regel auch kennt.
Der Ring ist von Tolkien nicht so eingeführt, dass er klar definierbare Eigenschaften hat. Das aber forderst Du. Damit akzeptierst Du nicht das Genre, nicht das Unternehmen - das jegliche Phantastik betreibt - das Unbewusste, das Grauenvolle, das uns unbewusst Steuernde zu erkennen und ihm die Larve vom Gesicht zu reißen. Wenn diese Artefakte so leicht zu definieren wären, hätten wir hier überhaupt keine Phantastik vorliegen, sondern Geschichten über unseren normalen Alltag. Aber das Unheimliche des Ringes liegt darin, dass er gar nicht definiert werden kann, dass es sogar sehr schwierig war, überhaupt an seinen Ursprung zu kommen. Geschmiedet wurde er also von Sauron, das haben Gandalf, Saruman und andere rausgefunden. Aber was er in den Ring an Eigenschaften gelegt hat - das weiß keiner. Der Ring stammt aus dem Reich des Ominösen.
Man kann auch noch von einer anderen Seite rangehen:
Nimm den Ring als Symbol für einen Trieb in uns Menschen, andere dazu zu bringen, zu tun, was man selber will. Also für den Machttrieb. Ein Heer von Psychologen setzt sich in Bewegung, um die Ursache, die Quelle zu finden. Wahrscheinlich untersuchen sie die Träume und Phantasien der Menschen, um das herauszufinden.
Nun interessiert das aber auch viele Dichter, und auch sie machen sich auf den Weg, das zu ergründen. Sie tun das, indem sie vor ihrem inneren Auge Bilder und Geschichten aufsteigen lassen, das vielleicht mit alten Sagen abgleichen, und dann diese Bilder aufschreiben. Daraus Erzählungen machen. Sie sind Forscher wie die Psychologen, gehen aber einen etwas anderen Weg. Und dann kommen so Bilder von Ringen, die die Ursache sind für das Verhextsein von Macht. Es sind Bilder, keine äußeren Wahrheiten, sondern nur das Einfangen von inneren Vorgängen. Und so ein Bild ist die zur Mumie sich entwickelnden Gollum-Figur. Ein anderes Bild ist die Butter, die auf zu viel Brot verstrichen ist. Alles - unzulängliche - Versuche, das Verheerende auszudrücken, was mit der menschlichen Seele geschieht, wenn der Mensch der Macht nicht schleunigst entsagt.
Dieses Wörtlichnehmen von Bildern - wie Du es tust - ist der Verlust, Bilder als Bilder zu verstehen. Das Gleiche geschieht - bitte nicht übelnehmen, ich meine das nicht so, wie es vielleicht klingt - bei den christlichen Fundamentalisten, die neuerdings in einer wachsenden Anzahl die Mythen der Bibel wörtlich nehemn. Für sie sind Adam und Eva die echten Vorfahren der Menschen, und nach irgendwelchen "logischen" Berechnungen kann die Menschheit erst seit 6000 Jahren existieren. Das könnte witzig sein, wenn sie nicht gleichzeitig verlangen, dass dies im Biologieunterricht gelehrt werden soll und viele Stimmen (man spricht von 50 %) dafür in der Bevölkerung finden.
Mehr noch, diese Spekulation würde selbst mit meiner Textstelle zusammenpassen, weil GANDALF JA NICHTS DAVON WEIß und deshalb richtigerweise von Gollums Alterungsprozeß ausgeht.
Versteht ihr wie ich es meine?
Oder ist in meiner Argumentation ein Haken, den ich nicht sehe?
Ich weiß nicht, ob ich das verstanden habe, sage darum lieber assoziativ etwas dazu:
Nach der Fiktion des HdR basieren alle Ereignisse auf Erzählungen, die anfangs mündlich waren und teilweise oder vielleicht auch nur auf alten Sagen beruhen. Sagen sind aber Sagen. Sie werden unterschiedlich erzählt, und sie erklären sich irgendwie Unerklärliches. Diese Erklärungen leisten nichts anderes, als dem Geheimnis des Unerklärlichen sich irgendwie anzunähern. Alle Erzählungen über den Ring sind Sagen. Gandalf kennt sie (inzwischen) und spinnt sie weiter mittels seiner Imagination. Die Geschichte von Gollum kennt er nur aus Gollums Mund. Und schwerlich hat Gollum sie so erzählt, wie Gandalf sie Frodo erzählt. Gollum wurde von Gandalf unter Druck gesetzt, vermutlich auch gefoltert (zumindest psychisch). Das Gestottere, das Gollum dabei produzierte, hat Gandalf ja beschrieben. Die schöne runde Geschichte, wo Smeagol oder Deagol mit Wasserpflanzen im Haar aus dem See auftaucht, ist Gandalfs schone Phantasie. Spekulation schon eingebaut in den Roman von Tolkien selbst.
Das heißt, dass diese Erzählungen das Ominöse einzukreisen versuchen, aber der Wunsch nach "Definition", wie genau sich Bilbo nun verändert hat, letztlich eine ganz unangemessene ist. Und das ist das, was Tuk schon ganz am Anfang gesagt hat.
Trotzdem ist es spannend, darüber zu reden und zu gucken, wie das im Roman dargestellt wurde.