Kann es sein, daß Tolkien diese Gedankenströmung einfach unhinterfragt übernommen hat? Oder gibt er tatsächlich nur eine "mittelalterliche" Sicht der Dinge wieder (ohne diese selbst zu teilen) weil die Gesellschaftsstrukturen, die er im Herrn der Ringe beschreibt, eben mittelalterlch sind?
ashnaz hat geschrieben:Schwarz-Weiss-Malerei ja (Elben immer gut - Orkse immer böse), Rassismus eindeutig nein.
Ciriel hat geschrieben:
1. Die Leute mögen glauben, es heiße "Heil", aber eigentlich ist es "hail". Ich weiß nicht, aber für mich ist das deutlich ein Unterschied. "hail" ist altenglisch. In Bezug auf die Rohirrim und ihren Ursprung ist das nur logisch und konsequent. Es kann auch nicht einfach so mit dem (lateinischen?) "Heil" gleichgesetzt werden (auch wenn es Leute gibt, die das gerne hätten). Es gilt, was auch für die nordischen Mythen gilt: Die Geschichten selbst können nichts dafür, daß man sie mißbrauchte (wobei da wiederum viele wieder "Wagner" mit "Edda" verwechseln.
Ciriel hat geschrieben:Kann es sein, daß Tolkien diese Gedankenströmung einfach unhinterfragt übernommen hat? Oder gibt er tatsächlich nur eine "mittelalterliche" Sicht der Dinge wieder (ohne diese selbst zu teilen) weil die Gesellschaftsstrukturen, die er im Herrn der Ringe beschreibt, eben mittelalterlch sind?
Im Endeffekt ist diese Frage nicht zu beantworten, denn der einzige, der seine Meinung kannte, war Tolkien selbst. Aber es gilt hier, wie auch überall anders: Jeder ist ein Kind seiner Zeit. Das entschuldigt die Behandlung der Schwarzen, das imperalistische Denken usw. keineswegs, aber es macht die Einstellung verständlich (finde ich). Wer weiss, in 100 Jahren macht man sich wegen irgendeiner Haltung gegen irgendwas oder irgendwen über uns lustig.
Zudem paßt wie Du schon geschrieben hast zu einer mittelalterlichen Welt nun mal kein "modernes" Gesellschaftsbild. Das war inkonsequent und würde das Gesamtbild schwächen.
Aricia hat geschrieben:Was Rassismus oder auch faschistoides Gedankengut und die entsprechenden Vorwürfe angeht... naja da muss man nicht bei Tolkien bleiben, diesen Vorwurf muss sich das gesamte Fantasygenre immer wieder gefallen lassen...
Letztendlich finde ich sie schlicht heuchlerisch und ein typisches *nach dem Teufel such* Verahltensmuster, denn wer käme auf den Gedanken, den Gebrüdern Grimm dieselben Vorwürfe zu machen?
Entschuldigen möchte ich zum Beispiel die Nazis nicht dadurch, dass sie Kinder ihrer Zeit waren. Es mag viele Mitläufer gegeben haben - aber es gab auch viele Überzeugte. Es gab solche, die für Rassismus anfällig waren, und solche, die das abstieß. Und es gab die, die eine eigene Meinung hatten und rebellisch waren.
Ciriel hat geschrieben:Entschuldigen möchte ich zum Beispiel die Nazis nicht dadurch, dass sie Kinder ihrer Zeit waren. Es mag viele Mitläufer gegeben haben - aber es gab auch viele Überzeugte. Es gab solche, die für Rassismus anfällig waren, und solche, die das abstieß. Und es gab die, die eine eigene Meinung hatten und rebellisch waren.
Ich hoffe mit Inbrunst, daß Du nicht damit sagen willst, daß ICH diese Leute entschuldigen wollte (Verzeihung, aber irgendwie fand ich das so gesehen schon etwas heftig). Das Gegenteil ist nämlich der Fall.
Mark hat geschrieben:Schreibt denn Tolkien, daß eine bestimmte Rasse einer anderen Rasse aufgrund der Haarfarbe oder anderer körperlicher Merkmale überlegen ist? Für mich schreibt Tolkien über den Gegensatz Gut gegen Böse, und das ist etwas anderes.
Das Böse darf man tatsächlich bekämpfen und töten, denn es ist das Böse. Und man darf auch jubeln und jauchzen, wenn man das Böse in der Schlacht besiegt.
Man darf nur nicht Fabel und Realität verwechseln: In unserer Welt gibt es das Böse nicht (kirchliche Argumentationen mal außer acht gelassen), und demnach gibt es auch keine bösen Rassen. Und in der Wirklichkeit gibt es auch keine Kriege und Schlachten zu bejubeln, denn es kommen echte Menschen dabei um und nicht Angehörige fiktiver Rassen in einem Buch. Da liegt für mich der Unterschied.
Tolkien wurde doch nicht müde zu sagen, daß er keine Allegorie will, sondern Anwendbarkeit, d.h. daß nicht der Autor dem Leser seinen Willen aufzwingen soll, sondern daß der Leser für sich aus dem Werk herausholt, was er kann und möchte.
Nach dieser Argumentation ist es unerheblich, ob Tolkien Rassist war oder nicht. Es kommt vielmehr darauf an, was Tolkiens Werk für mich bedeutet, in mir auslöst, oder wozu es mich veranlaßt.
Und ich persönlich kann zwischen Fiktion und Realität trennen.
Inken hat geschrieben:Die Hobbits werden in drei Untervölker eingeteilt, und auf Grund ihrer Völkerzugehörigkeit lieben sie z.B.entweder das Wasser oder nicht. Ist das denn nicht eine verrückte Idee? Das Wasser mögen doch normalerweise Leute nicht, weil sie bestimmte Völkergene in sich haben? Wozu hat Tolkien seine Geschichte in dieser Weise geschrieben?
Nein, ich habe gewiss nicht dich damit gemeint. Ich habe überhaupt nicht irgend jemand Bestimmten gemeint, sondern damit nur zwei unterschiedliche Auffassungen - in ihrer Extremform - schildern wollen.
Tut mir leid, wenn es anders rübergekommen ist.
Inken hat geschrieben:Die berühmten Orks und z.B. die Druedain, auch die Südländer sind aufgrund ihrer Völkereigenschaft so und so. Die Hobbits werden in drei Untervölker eingeteilt, und auf Grund ihrer Völkerzugehörigkeit lieben sie z.B.entweder das Wasser oder nicht. Ist das denn nicht eine verrückte Idee? Das Wasser mögen doch normalerweise Leute nicht, weil sie bestimmte Völkergene in sich haben? Wozu hat Tolkien seine Geschichte in dieser Weise geschrieben?
Und nun die Dunedain: In Gondor sind DIE Leute hochwertig, in denen das Dunedain-Blut noch vorhanden ist. Die anderen sind niedrigeren Wertes - sie sind für den geistigen Zerfall Gondors sozusasgen zuständig. Die Dunedain sind allein aufgrund ihres Blutes die Herrenmenschen. Sie sind - von Tolkien ausdrücklich betont - die Könige der Menschen. Sie kamen aus Numenor - Elendil, Anarion, Isildur - und haben sich die Urvölker unterworfen.
Nach dem HdR zu urteilen, wird dies als ein positiver Vorgang beschrieben, soweit ich das bisher sehe.
Aus anderen Werken von Tolkien allerdings kann man vermuten, dass er dies und ähnliches als Imperialismus gewertet hat. Denn die Numenorer hatten schon vor dem Untergang Numenors Häfen iauf dem Festland errichtet und, soweit ich mich erinnere, auch schon Kolonien gegründet und den Urbewohnern Angst gemacht.
Allerdings müsste ich das jetzt erst nachlesen, zu welcher Zeit das Tolkien in DIESER Form geschildert hat.
Aber der Herrschaftsanspruch der Dunedain entstand durch ihre Völkerzugehörigkeit.
Überhaupt ist das Blut von entscheidender Bedeutung. Man nehme doch nur die vielen Stammbäume von Tolkien. Ihr werdet wissen, dass genau dies - Stammbäume zeichnen quasi - im Dritten Reich von jedem Bürger verlangt wurde. Und Tolkien lebte zu der gleichen Zeit und tat das gleiche.
Das Böse darf man tatsächlich bekämpfen und töten, denn es ist das Böse. Und man darf auch jubeln und jauchzen, wenn man das Böse in der Schlacht besiegt.
Das sehe ich grundlegend anders.
Aber schon in der - literarisch verarbeiteten - Sage gilt das nicht mehr so einfach. Und was Tolkien geschrieben hat, enthält Kunstsagen - und keine Märchen und keine Allegorien. Das heißt, dass dort nicht einfach nur Bedeutungsträger geschildert werden, sondern indiividuelle Wesen mit individuellen Charaktereigenschaften. Und in dem Moment fragt man, wie das Werk das Zustandekommen der individuellen Eigenschaften erläutert. Und bei Tolkien bekommt man auf weiten Strecken die Antwort: durch die Rasse.
Mark hat geschrieben:Hm, aber sagt Tolkien wirklich ausdrücklich, daß jeder einzelne Starre das Wasser liebt und jeder einzelne Harfuß das Wasser nicht liebt? Geht es nicht vielmehr um durchaus vorhandene Grundtendenzen bei Völkern? Ich denke, es ist nicht rassistisch zu behaupten, daß Deutsche allgemein eher Vollmilch trinken und Finnen allgemein eher fettarme Milch. Oder daß Schweden im allgemeinen eher mit Dill würzen als Deutsche es tun.
Ciriel hat geschrieben:
Eine Frage habe ich aber noch:
Du schreibst, es geht bei Tolkien viel um Genealogien und Stammbäume. Gut, richtig, das sehe ich auch so. Aber das hat auch andere Gründe, als Du sie andeutest. Zahnweh zumindest erläutert, was mich angeht sehr einleuchtend, daß die Verwandschaftsverhältnisse so sind, wie sie sind, um auch wiederum beliebter und bekannter Literatur aus dem Mittelalter "nachzueifern" (ich beziehe mich hier besonders auf das Onkel / Neffenverhältnis).
Wenigstens vom den Standpunkt aus ist es doch logisch, wenn er jenen "alten" Mustern folgt, oder? Ist das dann in Deinen Augen auch Rasissmus (meine ich nur als Frage, ich versuche nur gerade Deine Argumentation zu verstehen)?
Verstehe mich recht, im Moment geht es mir nicht um die Diskussion, sondern nur um die Erinnerung, daß nicht alles nur einen Grund hat und einen Ursprung, sondern mehrere.
A_Brandybuck hat geschrieben:
Die Deutschen werden auch in verschiedene Untervölker eingeteilt. Da haben wir die Bayern, Kölner, Sachsen, Hamburger und noch viele mehr.
Aber der Herrschaftsanspruch der Dunedain entstand durch ihre Völkerzugehörigkeit.
Erst einmal entstand der Herrschaftsanspruch nicht durch Volkszugehörigkeit. Denn die Numenorer als Volk entstanden durch Mitglieder vieler verschiedener Völker. Die Numenorer wurden den anderen Menschen überlegen, weil sie für ihre guten Dienste belohnt wurden. Durch die Schenkung Numenors und die Technologisierung der Einwohner Numenors entstand der Herrschaftsanspruch.
Das Blut hingegen steht nicht vollständig für die Rassenabstammung, sondern für das Behalten der Numenorischen "Guten" Kultur. Es vermischt sich zu sehr mit anderen "niederen" Völkern heißt, dass die "höhere" Kultur in Vergessenheit gerät. Man sieht das ganz deutlich an Denethor und den Brüdern Faramir und Boromir. Während man von Faramir nachsagt, dass er sehr "reines" numenorisches Blut in sich hat, sagt man es nicht von Boromir, obwohl es Brüder sind. Faramir ist ein teilweise Gelehrter ("Schüler Gandalfs"). Hat aber die gleiche Abstammung.
Ja natürlich. Sind das nicht die Mendelschen Vererbungs-Gesetze? Dominant und rezessiv.
A_Brandybuck hat geschrieben: Regiert wurden sie von Elros und den Nachkommen von Elros. Vielleicht meinst du das mit aus einem gleichen Haus?
Aldebaran hat geschrieben:Davon mal abgesehen, ob Tolkien ein Rassist war oder nicht oder ob rassistische Gedanken im HdR und seinen anderen Werken formuliert.
Ist es nicht eins der wesentlichen Merkmale von Fantasy, daß es dort immer um Rassen geht? Ebenso findet sich dies bei Science-Fiction.
Für gewöhnlich gibt es in diesen Geschichten Menschen die auf Andere treffen. Diese Anderen sind dann z.B. Elben, Zwerge, Vulkanier, Marsmännchen und meintwegen auch Zauberer und Hexen. In diesen Literaturgattungen geht es einfach immer um das andere.
Haben diese Gattungen dann alle einen (leicht?) rassistischen Hintergrundgedanken?
Ja natürlich. Sind das nicht die Mendelschen Vererbungs-Gesetze? Dominant und rezessiv.
Naja, da können wir uns jetzt sehr streiten, wie sehr der Charakter und die Charakterentwicklung eines Menschen auf die Gene oder auf die Umwelt zurück geht. Aber ich nehme an, wir würden nie auf ein Ergebnis kommen, mit dem alle leben können.
Aldebaran hat geschrieben:Nur um sicher zu gehen, ob ich Dich richtig verstanden habe.
Du hast bisher nur Tolkiens Sachen (HdR, Hobbit, Silmarillion und Co.) gelesen? Aber nichts an anderer Fantasy?
Nicht sowas wie "Das letzte Einhorn", "Harry Potter", "Roter Mond und Schwarzer Berg", "Die Chroniken von Narnia"...?
Und die Entschuldigung betreffend.
Nö, wäre es nicht für Tolkien. Aber dann müßtest Du die (gesamte) Literatur dieser Gattung(en, wenn man SF noch dazu nimmt), als rassischtisch einstufen. Oder zumindest mit rassistischen Tendenzen, denn Du willst Tolkien nicht als Rassist bezeichnen, aber zeigen, er "denke in Rassen". Und dies haben dann auch andere Autoren getan und tun es auch weiter.
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